Die Integration eines behinderten Hundes in die eigene Hundegruppe, ohne die anderen oder den betroffenen Vierbeiner selbst zu überfordern, ist eine Gratwanderung. Es beginnt mit der Akzeptanz, dass jeder Hund individuelle Bedürfnisse hat und diese erfüllt werden müssen, um ein harmonisches Zusammenleben zu gewährleisten. Die Einstellung, dass Behinderungen kein Mitleid erfordern, sondern lediglich eine andere Form der Unterstützung, ist entscheidend!
Hunde, ob behindert oder nicht, leben im Hier und Jetzt und passen sich oft besser an ihre Situation an, als wir es erwarten würden.
In diesem Blogartikel beleuchten wir die vielfältigen Aspekte, die es zu berücksichtigen gilt, wenn man einem tauben, blinden oder körperlich eingeschränkten Hund ein neues Zuhause gibt. Wir sprechen über die Vorbereitung der bereits vorhandenen Hunde, die speziellen Bedürfnisse der neuen Familienmitglieder und die Rolle, die der Mensch in diesem Prozess spielt.
Verstehen der Bedürfnisse behinderter Hunde
Blinder Hund: Navigation und Vertrauen
Blinde Hunde entwickeln ein tiefes Vertrauen zu ihren Besitzern und sind erstaunlich gut darin, sich in bekannten Umgebungen zu orientieren. Die Schaffung einer stabilen, unveränderten Umgebung hilft diesen Hunden, sich sicher und selbstbewusst zu bewegen.
Tauber Hund: Kommunikation und Sicherheit
Taube Hunde kommunizieren anders. Sie verlassen sich stärker auf visuelle Signale und Berührungen. Es ist wichtig, dass ihre menschlichen Begleiter lernen, mit ihnen auf diese Weise zu kommunizieren und ihre Umgebung sicher zu gestalten, um Unfälle zu vermeiden.
Körperliche Einschränkungen: Mobilität und Anpassung
Hunde mit körperlichen Einschränkungen – zum Beispiel diejenigen, die ein Bein verloren haben – passen sich oft schnell an diese neue Situation an. Trotzdem kann es notwendig sein, das Zuhause und die täglichen Routinen anzugleichen, um ihnen ein vollwertiges Leben zu ermöglichen.
Vorbereitung der bestehenden Hundegruppe auf das neue Familienmitglied
Bevor ein behinderter Hund in ein bestehendes „Rudel“ integriert wird, sollte man die sozialen Fähigkeiten und die Akzeptanz der bereits vorhandenen Hunde einschätzen. Eine harmonische Gruppe, die offen für neue Mitglieder ist, erleichtert die Integration erheblich und empfängt auch einen Hund mit Behinderung liebe- und rücksichtsvoll.
Die Integration kann mit kurzen kontrollierten Treffen beginnen, die schrittweise ausgedehnt werden. Es ist wichtig, die Körpersprache aller Hunde zu beobachten und positiv zu verstärken, wenn sie ruhig und freundlich miteinander umgehen.
Anpassungen in der Wohnung, dem Haus und Garten sowie spezielle Trainingsansätze helfen, das Leben für behinderte Hunde zu erleichtern und ihnen ein Maximum an Selbständigkeit zu ermöglichen.
Für blinde Hunde bedeutet das, Gefahrenquellen wie scharfe Ecken oder Treppen zu sichern. Taube Hunde profitieren von visuellen Signalen und einer Umgebung, die ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht, ohne sie zu erschrecken. Hunde mit körperlichen Einschränkungen benötigen leicht zugängliche Ruheplätze und gegebenenfalls Rampen oder Treppen, um höhere Ebenen zu erreichen.
Wie nehmen Artgenossen einen Hund mit Behinderung wahr?
Interessanterweise zeigen Studien und Beobachtungen, dass Hunde innerhalb einer Gruppe sehr wohl Unterschiede zwischen ihren Gefährten bemerken, aber diese selten diskriminieren. Sie passen ihr Spiel- und Interaktionsverhalten oftmals an, um auf die Bedürfnisse des behinderten Tieres Rücksicht zu nehmen. Es ist, als ob sie instinktiv spüren, dass sie mit einem eingeschränkten Hund einen behutsamen Umgang pflegen müssen.
Die Rolle des Menschen: Empathie, Geduld und Engagement
Der ideale Mensch für einen behinderten Hund ist geduldig, einfühlsam und bereit, Zeit und Ressourcen in das Wohlbefinden seines Tieres zu investieren. Mit dem richtigen Wissen, der richtigen Einstellung und den richtigen Ressourcen verspricht die Integration eines blinden, tauben oder körperlich behinderten Hundes in eine bestehende Gruppe auf jeden Fall Erfolg. Und ist sowohl für den Neuzugang als auch die weiteren Vierbeiner und menschlichen Bezugspersonen absolut bereichernd.
Lerne, die Interaktionen zwischen deinen Hunden korrekt zu lesen und notfalls zu steuern, um ein harmonisches Leben aller Familienmitglieder sicherzustellen!
Regelmäßige tierärztliche Kontrollen sind für behinderte Hunde besonders wichtig, um sicherzustellen, dass sie keine Schmerzen haben und ihr Zustand nicht fortschreitet. Eine angepasste Ernährung, regelmäßige Bewegung und gegebenenfalls Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel sind weitere wichtige Aspekte, um das Wohlbefinden des Hundes zu gewährleisten.
Training und Hilfsmittel
Training und Kommunikation müssen an die individuellen Fähigkeiten des behinderten Hundes angepasst werden. Taube Hunde werden durch Handzeichen und Lichtsignale trainiert, während blinde Hunde auf taktile und akustische Signale angewiesen sind. Körperlich eingeschränkte Hunde profitieren von orthopädischen Betten, Physiotherapie und speziellen Geschirren, Prothesen oder Rollstühlen, die ihre Mobilität unterstützen. Erhöhte Wasser- und Futternäpfe erleichtern die Nahrungsaufnahme. Rutschfeste Teppiche auf dem Boden oder Stufen geben Halt, genau wie Tragehilfen für größere oder schwerere Vierbeiner.
Du kannst tatsächlich auf viele Dinge zurückgreifen, um einem sogenannten Handicap-Hund den Alltag zu erleichtern.
Mein eigener blinder Hund Jaro
Seit 04. Februar 2024 wohnt ein neuer Pflegehund bei uns, der knapp achtjährige und blinde Galgo Ambar von Far from Fear e.V. Gleich nach seiner Ankunft habe ich ihn in Jaro umgetauft (altirisch für „Licht in der Nacht“).
Jaro wurde in Spanien entdeckt, als er verunsichert und ziellos auf der Straße herumlief. Im Tierheim stellte sich dann bei der tierärztlichen Untersuchung eine Linsentrübung durch grauen Star heraus. Außerdem befand er sich in einem körperlich vernachlässigten Zustand und es war zu vermuten, dass man ihn aufgrund seiner Sehschwäche einfach ausgesetzt hatte.
Da er im spanischen Tierheim vollkommen unterging und dort keine Zukunft hatte, reiste er zu uns auf eine vorübergehende Pflegestelle aus. Wir werden ihm – wie allen Pflegehunde-Vorgängern – einen guten Start in sein neues, beschütztes Leben ermöglichen.
Jaro als Teil meiner Hundefamilie
Meine eigenen sechs Hunde sind durch diverse ebenfalls blinde Pensionsgäste mit dieser Behinderung vertraut und mir war klar, dass sie die Herausforderung hervorragend meistern. Und ja, das tun sie, jeden Tag. Sie nehmen Rücksicht, wo Rücksicht angebracht ist, bewegen sich vorsichtig in Jaros Nähe, lassen ihn in Ruhe fressen und sind auch ansonsten wunderbar zurückhaltend. Bei Spaziergängen läuft immer einer meiner Vierbeiner in Jaros Nähe, so dass er sich orientieren kann. Und wird es mal enger, nehmen sie ihn in die Mitte und leiten ihn so durch schwierige Passagen.
Im Innenraum und auch auf dem Hundeplatz kommt Jaro inzwischen wunderbar zurecht und bewegt sich relativ sicher. Wir haben gleich am Anfang das Namenstraining verknüpft mit Signalen wie „Stopp“ und „Vorsicht“, was Jaro eine enorme Unterstützung ist. Er bleibt entsprechend stehen oder dreht einfach ab, sobald er meine verbale Hilfestellung wahrnimmt. Generell orientierte er sich bereits nach wenigen Tagen an meiner Stimme sowie meinen Schritten, was das gemeinsame Gehen von Zimmer zu Zimmer oder von drinnen nach draußen enorm erleichtert. Ist er weiter von mir entfernt und steuert auf mich zu, nutze ich das Ankersignal als Brücke.
Dinge wie Anziehen des Geschirrs, Anleinen, an die Futterschüssel fassen usw. kündige ich an, damit er nicht davon überrascht wird. Denn dann reagiert er verständlicherweise auch einmal barsch. Um ihm aber die Sicherheit zu geben, dass nichts Erschreckendes um ihn herum passiert, ist das Ankündigen von Aktionen ein wunderbares Mittel.
Unterwegs mit einem blinden Hund
Bei Spaziergängen habe ich immer im Hinterkopf, dass Jaro die Welt anders wahrnimmt. Daher beschreibe ich seine Umgebung verbal, um die Notwendige Orientierung zu geben. Natürlich versteht er nicht, was ein Baum, ein Auto oder die Straße ist. Aber er fühlt sich dadurch vor Gefahren geschützt und sicher. Und deshalb gilt gleiches, was im Haus wichtig ist, natürlich auch im Außenbereich.
Jaro bereichert für die Zeit seines Pflegestellenstatus enorm unser Zusammenleben und wir wünschen ihm das allerbeste Für-Immer-Zuhause, das man sich nur vorstellen kann. Er wird es finden!
Fazit
Ein Hund mit Behinderung kann ein genauso erfülltes Leben führen wie jeder andere Hund auch. Ob die Behinderung von Geburt an besteht, früh erworben wurde oder später im Leben durch einen Unfall auftrat, spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle. Wichtig ist die Anpassungsfähigkeit der Betreuungspersonen und der tierischen Familienmitglieder. Es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem jeder Hund seine Persönlichkeit entfalten und ein fester Teil der Familie sein kann.
Das Zusammenleben erfordert Sensibilität, Anpassungsfähigkeit und vor allem ein tiefes Verständnis für die individuellen Bedürfnisse aller Beteiligten. Mit der richtigen Einstellung und den geeigneten Anpassungen im Umfeld können alle Hunde, unabhängig von ihren körperlichen Möglichkeiten, ein glückliches und integriertes Leben führen.
Es zeigt uns, dass Liebe und Zugehörigkeit keine Grenzen kennen und dass in der Vielfalt eine besondere Stärke liegt.